The Sympathizer: Kritik zum Auftakt der HBO-Miniserie mit Robert Downey Jr. (2024)

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Von: Bjarne Bock

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The Sympathizer: Kritik zum Auftakt der HBO-Miniserie mit Robert Downey Jr. (1)

Der frisch gekürte Oscargewinner Robert Downey Jr. tobt sich in der Vietnamkrieg-Spionageserie „The Sympathizer“ bei HBO mal richtig aus. Hinter den Kulissen haben der „Oldboy“-Regisseur Park Chan-wook sowie Don McKellar das Kommando.

Spoilerwarnung - diese Meldung kann Hinweise auf die Fortführung der Handlung enthalten!

Eine US-Serie über den Vietnamkrieg - oder den amerikanischen Krieg, wie er offenbar in Vietnam genannt wird - steht unter besonderer Beobachtung, was Befangenheit angeht. Auch bald 50 Jahre nach dem Fall von Saigon ist das große Trauma der Weltpolizei nicht überwunden. Zumal sich die Geschichte im Sommer 2021 ein Stück weit wiederholt hat, wenn man sich die Bilder vom Rückzug aus Afghanistan ansieht. Wieder wurden die im Stich gelassen, die man zu beschützen versprochen hatte - und trotzdem bleiben die Vereinigten Staaten die einzige ernstzunehmende Schutzmacht des Westens, die nun mehr denn je benötigt wird...

Dass der neue HBO-Siebenteiler The Sympathizer in der Lage ist, ein komplexes Bild der damaligen Ereignisse im Jahr 1975 zu zeichnen, verdankt er wahrscheinlich seinen explizit nicht US-amerikanischen Serienschöpfern Park Chan-wook („Oldboy“, „Snowpiercer“) und Don McKellar („Last Night“, Sensitive Skin). Park führt bei der einstündigen Auftaktepisode namens Death Wish auch Regie und schrieb zusammen mit seinem kanadischen Kollegen McKellar das Drehbuch (welches wiederum auf dem gefeierten Roman von Pulitzerpreisträger Viet Thanh Nguyen basiert).

Das Gesicht der schwarzen Komödie/des Kriegsdramas/Spionagethrillers ist aber das von „Iron Man“-Star Robert Downey Jr., der für seine „Oppenheimer“-Nebenrolle letzten Monat den Oscar gewann. Er spielt in der Miniserie, die hierzulande parallel beim Pay-TV-Sender Sky zu sehen ist, gleich mehrere Rollen, bei denen es sich aber nicht um Klone à la Orphan Black, Zeitreisende à la Outlander, Doppelgänger wie bei Counterpart oder Zwillinge wie bei jeder schlechten Telenovela handelt. Vielmehr verkörpert RDJ amerikanische Arroganz an sich, die sich hier in allen Yankees widerspiegelt.

Worum geht es bei der neuen HBO-Miniserie „The Sympathizer“?

Im Mittelpunkt der Geschichte steht die Figur des sogenannten Captains, gespielt von Hoa Xuande, den man durch das unbeliebte Netflix-Remake von Cowboy Bebop (2021) kennen könnte. In einem nordvietnamesischen Umerziehungslager soll er sein Geständnis ablegen. Dabei erlebt man ihn auf Anhieb als unzuverlässlichen Erzähler, da er sich ab und zu widerspricht und neu ansetzen muss. Die Serienmacher Park und McKellar wollen so vielleicht betonen, dass sie eine subjektive Version der Wahrheit präsentieren.

Nach diesem Einstieg springt die Serie noch weiter zurück in der Vergangenheit, genauer gesagt vier Monate vor dem Einmarsch der Vietcong in der südvietnamesischen Hauptstadt Saigon (heute bekanntermaßen Ho-Chi-Minh-Stadt). Der Captain, der in der Armee des amerikatreuen, aber trotzdem zum Scheitern verurteilten Südens dient, trifft seinen stets tiefenentspannten CIA-Mentor Claude, der als erster Charakter Downeys eingeführt wird.

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Die beiden sehen sich im Kino den Charles-Bronson-Krimi „Ein Mann sieht rot“ (oder im Original eben „Death Wish“) an. Tatsächlich aber findet im Saal die Folterung einer Kommunistin statt. Anwesend ist auch der General (Toan Le), dem Captain unterstellt ist. Die Art und Weise, wie nebensächlich die Männer die Frau quälen, kann als weiterer Wink von Park und McKellar verstanden werden. Damit zeigen sie, dass sie keinesfalls für Südvietnam Partei ergreifen werden (für den Norden natürlich auch nicht). Zuschauer:innen sollten dies auch als letzte Warnung verstehen, dass die Serie sehr brutale Szenen aufweist. Später kommt es leider auch zu Gewalt gegen Kinder und anderen grauenhaften Kriegsrealitäten.

Noch cleverer wird die Unparteilichkeit durch den Captain-Charakter selbst garantiert, denn er - und das ist kein Spoiler, sondern Teil der Grundprämisse - ist ein Doppelagent. Der Norden hat ihn im Süden eingeschleust, da er durch seine Studienzeit in Übersee eine gewisse Amerika-Affinität und exzellente Englischkenntnisse mitbringt. Kann er auch einen gewieften Geheimdienstler wie Claude täuschen oder hat der längst erkannt, dass der Spion wackeln und wiederum gegen den Norden nützlich werden könnte?

In der ziemlich dichten und dennoch gut verfolgbaren Auftaktfolge treten auch Captains Armeekumpel Man (Duy Nguyễn) und Bon (Fred Nguyen Khan) auf. Auch sie helfen, das Gleichgewicht zu wahren, denn einer von beiden ist wie Captain ein Agent vom Vietcong, während der andere fest an den Süden glaubt und für seine junge Familie kämpft. Riskiert Captain mit seinem doppelten Spiel nicht auch das Wohlergehen des Neugeborenen seines Freundes? Das ist eine Frage, die die Figur noch sehr beschäftigen dürfte - und die eindrucksvoll aufzeigt, wie folgenschwer jede Entscheidung in Kriegszeiten sein kann...

Darum ist der Auftakt von „The Sympathizer“ so vielversprechend

„The Sympathizer“ verspricht eine vielseitige Beleuchtung des Vietnamkriegs im Speziellen und eine aufschlussreiche Rumination der unmenschlichen Charakterfragen von Kriegen allgemein. Der Hauptdarsteller Hoa Xuande spielt eine Rolle, die voller Widersprüche steckt und damit Perspektiven einnehmen kann, die man weder auf der einen noch auf der anderen Seite so kriegen könnte. Die Serienmacher Park Chan-wook und Don McKellar unterstreichen früh, dass sie die Komplexität der preisgekrönten Buchvorlage von Viet Thanh Nguyen nicht verlieren wollen. Ihre ersten Entscheidungen, die sie ziemlich offen durchblicken lassen, stimmen dabei auf jeden Fall optimistisch.

Davon abgesehen kann sich Park auch als brillanter Regisseur beweisen, als den man ihn kennt. Denn die erste Actionsequenz zum Ende der Episode - die zum Höhepunkt des Falls von Saigon spielt - ist einfach großartig. Der Premium-Kabelsender HBO versucht natürlich immer mit Schauwerten zu zeigen, dass Fernsehen filmreif sein kann. Doch selbst mit viel Budget verpufft sowas schnell, wenn die Verantwortlichen das Emotionale aus den Augen verlieren. Einem Vollprofi wie Park passiert das nicht!

Ansonsten muss auch der Casting-Coup mit Robert Downey Jr. nochmal gelobt werden. Der Schauspieler, der derzeit am Zenit seiner Karriere stehen könnte, ist auch als Produzent beteiligt, was darauf hindeutet, wie viel ihm das Projekt bedeutet. Seine Ausstrahlung bereichert jede Einstellung, da er einfach einer der charismatischsten Menschen unserer Zeit ist. Und die Idee, ihn gleich in mehreren Rollen zu casten, die immer nur das aufgeblasene Selbstbewusstsein eines Amerikaners gemeinsam haben, ist ebenfalls unerhört und irgendwie genial.

Wir freuen uns sehr auf die nächsten sechs Folgen von „The Sympathizer“ und geben dem Auftakt 4,5 von 5 Sterne.

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